Gentherapien stehen für eine Revolution in der Medizin. Ihr Ziel ist es, direkt an der genetischen Ursache einer Erkrankung anzusetzen, indem fehlerhafte Erbinformationen korrigiert oder ersetzt werden.

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Gentherapie ist der Transport der „Reparatur-Gene“ an den richtigen Ort im Körper. Hierfür nutzen Forscher oft sogenannte Adeno-assoziierte Viren (AAV). Diese Viren sind für Menschen ungefährlich und dienen als eine Art „Genfähre“. Man entfernt ihre ursprünglichen Gene und belädt sie stattdessen mit der therapeutischen Fracht.

So elegant die Idee klingt, so herausfordernd ist die Herstellung dieser maßgeschneiderten Genfähren in der benötigten Menge und Qualität.

Die Herstellung von AAV-Gentherapien ist ein hochkomplexer biotechnologischer Prozess, der grob in zwei Hauptphasen unterteilt wird: die Produktion (Upstream) und die Aufreinigung (Downstream).

Alles beginnt damit, spezialisierte Zellen in großen Mengen zu züchten, meist in Bioreaktoren. Diese Zellen dienen als Mini-Fabriken.

Die Zellen erhalten dabei die Baupläne für das therapeutische Gen und die Virushülle (Kapsid). Dies ist ein kritischer Schritt, denn nur wenn die Zellen die richtigen Informationen erhalten, können sie effizient die gewünschten AAV-Partikel produzieren.

Damit die Zellen die gewünschten AAV-Partikel herstellen, müssen ihnen die genetischen Bauanleitungen – verpackt in kleinen DNA-Ringen (Plasmiden) – zugeführt werden. Dies geschieht oft durch einen Prozess namens Transfektion.

Nach der Produktion müssen die AAV-Partikel aus den Zellen befreit und anschließend aufgereinigt werden. Hierbei werden die wertvollen Genfähren von Zellresten, fehlerhaften Viruspartikeln und anderen Verunreinigungen getrennt. Besonders herausfordernd ist die Abtrennung „leerer“ Virushüllen, die keine therapeutische Fracht enthalten und ungewollte Immunreaktionen auslösen können.  Zum Einsatz kommen verschiedene Filtrations- und Chromatographieverfahren. Am Ende steht ein hochreines Produkt, das in eine stabilisierende Flüssigkeit abgefüllt wird, bereit für den Einsatz an Patient:innen.

Die Herstellung von AAV-Gentherapien ist ein anspruchsvoller Prozess mit spezifischen Herausforderungen. Roche forscht intensiv daran, Lösungen zu entwickeln, um das Potenzial dieser innovativen Behandlungsstrategie zukünftig für möglichst alle Patienten:innen nutzbar zu machen,  die sie dringend benötigen. Im Fokus stehen dabei insbesondere folgende Bereiche:

Was im kleinen Labormaßstab funktioniert, lässt sich oft nur schwer auf die benötigten industriellen Mengen übertragen. Prozesse wie die Zellvermehrung oder die Transfektion müssen für große Volumina angepasst werden, was oft zu Effizienzverlusten führt. Auch die Lieferketten für spezielle Ausgangsmaterialien können zum Nadelöhr werden.

Ein großes Problem ist, dass bei der Produktion viele „leere“ Virushüllen ohne therapeutisches Gen entstehen. Da sich volle und leere Hüllen äußerlich kaum unterscheiden, ist ihre Trennung extrem schwierig und aufwändig. Die Forschung bei Roche zielt darauf ab, sowohl die Entstehung leerer Kapside zu minimieren, als auch die Methoden zur Abtrennung und Analyse von vollen und leeren Kapsiden kontinuierlich zu verbessern.

Um die Sicherheit und Wirksamkeit zu garantieren, muss die Zusammensetzung des Endprodukts exakt bestimmt werden. Die dafür nötigen Analysemethoden sind oft langsam und teuer.

Die Komplexität des gesamten Prozesses, die schwierige Aufreinigung, die aufwändige Analytik und die bisher noch eingeschränkten Produktionskapazitäten sind nach wie vor eine große Herausforderung. Deshalb ist es essentiell, den gesamten Prozess effizienter zu machen, damit zukünftig immer mehr Patient:innen Zugang zu diesen potenziell lebensverändernden Therapien erhalten. Roche investiert in erheblichen Maß, z. B. in ein hochmodernes Gentherapie-Entwicklungszentrum in Penzberg, um die Herstellungsprozesse robuster, effizienter und kostengünstiger zu machen.

Dr. Markus Haindl leitet bei Roche die globale technische Forschung und Entwicklung für Gentherapien und ist am Standort Penzberg tätig. Er kennt die Herausforderungen aus erster Hand.

Die größte Herausforderung ist, eine konstant hohe Produktqualität über verschiedene Produktionsabläufe hinweg sicherzustellen. Das betrifft vor allem die Reinheit und die Wirksamkeit des Endprodukts. Dafür brauchen wir nicht nur optimierte Herstellungsverfahren, sondern auch sehr präzise und schnelle Analysemethoden, um den Prozess lückenlos überwachen zu können.

Diese Technologien sind absolut zentral. Automatisierung hilft uns, die komplexen Abläufe zuverlässiger und reproduzierbarer zu machen. KI und fortschrittliche Datenanalyse werden immer wichtiger, um die riesigen Datenmengen aus der Produktion zu nutzen, Prozesse besser zu verstehen und zu optimieren. Bei Roche nutzen wir KI beispielsweise, um gezielt bessere AAV-Kapside (Virushüllen) zu designen, die sich vielleicht einfacher herstellen lassen oder gezielter wirken.

Zusammenarbeit findet auf allen Ebenen statt: Ich bin sehr optimistisch, wenn ich sehe, welche Fortschritte wir machen, um die bestehenden Herausforderungen zu meistern. Wir bewegen uns z. B. hin zu stärker standardisierten Herstellungsplattformen. Das ist ein wichtiger Schritt, um diese potenziell lebensverändernden Therapien effizienter und damit auch kostengünstiger zu produzieren - und sie so für Patient:innen weltweit zugänglich zu machen.

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