Eine Politik, die Innovationen verhindert anstatt sie zu fördern, kann nicht die Lösung sein. Was es stattdessen braucht: einen Dialog auf Augenhöhe zwischen Politik und Wirtschaft. Denn: Nur so sind gemeinsame Lösungen für eine starke Industrie möglich.

das Prinzip der „Solidarität“ ist ein elementarer Bestandteil unserer sozialen Marktwirtschaft. Die ökonomische Grundrechenart ist einfach: Ohne Wirtschaftswachstum und klare politische Prioritäten kann es schnell zu einer Überforderung des Sozialstaats kommen. Deshalb braucht es einen Plan. Doch was passiert, wenn es keinen Plan mit Weitsicht gibt und aus dem Staat immer mehr eine „Umverteilungsmaschine“ wird? Wenn ein Dialog zwischen Politik und Wirtschaft und das Ringen um die besten Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit nicht ausreichend stattfinden?

Ein Ergebnis ist zum Beispiel die innovationsfeindliche Gesetzgebung im Bereich der Gesundheitswirtschaft, gegen die bedeutende Wirtschaftsunternehmen sogar Verfassungsbeschwerde – als ultima ratio – eingereicht haben. Im Ergebnis sind es aber auch immer wieder handwerklich schlecht gemachte Verwaltungsbeschlüsse, gegen die sich die Industrie vor den Landessozialgerichten wehrt und wehren muss.

Statt neuer „Deutschland-Geschwindigkeit“ erleben wir, wie sich Unberechenbarkeit zu einem Standortproblem erster Güte entwickelt; mit handfesten Folgen für Investitionen und Innovationen „made in Germany“. Der industrielle Kern in Deutschland bekommt Risse; ich nenne das „drohende Deindustrialisierung“. Ein Mittel, um dies zu verhindern, ist eine aktive Industriepolitik, die im Dialog entsteht. Ein gutes Beispiel ist die im Dezember veröffentlichte Pharma-Strategie der Bundesregierung.

Aber: Eine Strategie ist nur so gut wie ihre Umsetzung. Deshalb muss die Politik jetzt den Dialog mit der Wirtschaft intensivieren. Wann passiert was, wer wird einbezogen und wer übernimmt die Federführung bei der Gesetzgebung? Mein Plädoyer: Hört uns zu! Wir, die hierzulande in Forschung, Entwicklung und Produktion investieren und Arbeitsplätze schaffen, kennen die Problemfelder und kommen mit Lösungsvorschlägen.

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Vielerorts ist die Stimmung aktuell überhitzt. Eine Sache haben die Proteste hierzulande gemein: Der fehlende frühzeitige Dialog mit Experten und Betroffenen; und das oft mangelnde gesamthafte Verständnis für die mittel- und langfristigen Folgen einzelner Gesetzesinitiativen sorgen für Unmut und Vertrauensverlust in die Politik. Wir sollten aus Fehlern lernen und gemeinsam Verantwortung für unser Land übernehmen, Haltung zeigen, uns gegen Politikverdrossenheit einsetzen und die Zukunft gestalten. Bevor die Risse zu tief werden – bevor Wachstum, Solidarität und Wohlstand allesamt auf der Strecke bleiben. Die Zeit rennt uns davon.

Autor
Prof. Dr. Hagen Pfundner
Vorsitzender der Geschäftsführung Roche Deutschland Holding GmbH

Dieser Artikel ist am 23.01.2024  in der Kolumne "Ihre Meinung bitte, Hagen Pfundner" in der WELT erschienen.

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