Gentherapien und künstliche Intelligenz werden die Medizin prägen. Doch dafür braucht es Akzeptanz in der Gesellschaft. Die ist seit der Corona-Pandemie gespalten. Zu groß die Angst vor neuen Technologien in der Medizin. Aufgabe der Politik und der Gesundheitsindustrie ist es, hier gemeinsam Aufklärung zu leisten.

Naturwissenschaftler und Philosophen haben sich schon immer mit der Frage beschäftigt: Wie funktioniert Vererbung? Der griechische Gelehrte Pythagoras, den Sie vielleicht noch aus der Schule kennen, hatte folgende Theorie: Der Mann sei Träger der Erbinformation. Der Samen reise durch seinen Körper, wo er Informationen von Augen, Haaren, Knochen etc. aufnehme. Die Mutter liefere lediglich die Nahrung, damit die gesammelten Informationen des Mannes an ein Kind weitergegeben werden können. Sie schmunzeln? Aus heutiger Sicht klingt das sicherlich anachronistisch.

Unsere Erkenntnisse über die Gene gehen heute weit über die Vererbungsmechanismen hinaus. Wir setzen zum Beispiel genbasierte Therapien im Kampf gegen schwere Erkrankungen ein, die bislang unbehandelbar waren. Wir nennen es die regenerative Medizin: Fehlerhafte genetische Baupläne werden verändert, um die normale Körperfunktion wiederherzustellen. Forschung, Entwicklung und Produktion von Gentherapien erfordern ein Höchstmaß an wissenschaftlich-technischem Know-how, große Investitionen und unternehmerisches Risiko. Heute stehen 15 Gentherapien Patienten in der EU zur Verfügung, zum Beispiel zur Behandlung seltener neurologischer Erkrankungen oder bestimmter Formen von schwarzem Hautkrebs. Die regulatorischen Vorgaben sind äußerst rigide.

Für viele ist diese bahnbrechende Innovation eine Revolution. Gerade für Betroffene. Anderen Menschen macht der Gedanke an eine Gentherapie Angst. Eine vergleichbare gesellschaftliche Polarität haben wir während der Corona-Pandemie zu Impfstoffen erlebt.

Für mich steht fest: Es ist die Verantwortung von Politik, Wissenschaft, Versorgung und Unternehmen, den gesellschaftlichen Dialog faktenbasiert zu führen und auf Ängste einzugehen. Es geht um Vertrauen in die Wissenschaft und die gesellschaftliche Akzeptanz für neue Technologien. Deshalb begrüße ich die , in der es um die Bedeutung dieser Schlüsseltechnologie für die Versorgung und den Wirtschaftsstandort Deutschland geht; aber auch um gesellschaftliche Fragen.

Am 19. März 2024 eröffnet Roche ein Entwicklungszentrum für Gentherapie in Penzberg: Eine Schlüsseltechnologie für die Zukunft des Standorts Deutschland.

Wenn wir Zukunftsthemen wie Gen- und Zelltherapien, künstliche Intelligenz oder den Umgang mit Gesundheitsdaten und Datenschutz im Sinne von Patienten und Gesellschaft gestalten wollen, braucht es genau diese breiten Dialogformate – und die Bereitschaft aller, offen aufeinander zuzugehen. Denn nur so können wir sicherstellen, dass wir die Herausforderungen adressieren und die enormen Chancen optimal nutzen.

Autor
Prof. Dr. Hagen Pfundner
Vorsitzender der Geschäftsführung Roche Deutschland Holding GmbH

Dieser Artikel ist am 25.03.2024  in der Kolumne "Ihre Meinung bitte, Hagen Pfundner" in der WELT erschienen.

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