Über 20 Milliarden Euro könnte unser Gesundheitssystem schon heute durch den konsequenten Einsatz von innovativen Technologien und Arzneimitteln einsparen. Dass das Effizienzpotenzial insgesamt noch deutlich größer ist, zeigt eine aktuelle Analyse. 

Sie wollen direkt in die Analyse eintauchen? Hier die vollständige BDI-Studie herunterladen und erfahren, wie Innovationen dazu beitragen können, Gesundheitsausgaben zu stabilisieren.

Die Debatte um steigende Ausgaben im Gesundheitssystem läuft auf Hochtouren. Und keine Frage: Die Dringlichkeit ist unbestreitbar. Denn mit Ausgaben von mittlerweile rund 500 Milliarden Euro im Jahr 2023 leistet sich Deutschland ein Gesundheitssystem, das gemessen am Bruttoinlandsprodukt zu den teuersten der Welt gehört - und gleichzeitig bei zentralen Indikatoren wie der Lebenserwartung oder der Mortalität bei bestimmten Erkrankungen nur unterdurchschnittlich abschneidet. 

Im Ringen um dringend notwendige Reformen kennt die öffentliche Debatte meist aber nur zwei Stoßrichtungen: Sparen, Kürzen, Deckeln - oder Beitragserhöhungen. Eine gefährliche Spirale auf Kosten von Gesundheit, Wirtschaft und Wohlstand. 

Eine neue Perspektive eröffnet nun eine aktuelle Analyse, die das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) durchgeführt hat. Die Kernaussage: Das System lässt sich nicht gesund kürzen - es muss effizienter werden. Und der Schlüssel zu mehr Effizienz liegt in den Innovationen der industriellen Gesundheitswirtschaft. 

In der Analyse wird das Effizienzpotenzial, das durch den gezielten Einsatz von Innovationen im deutschen Gesundheitssystem erschlossen werden kann, schon heute mit 20,8 Milliarden Euro pro Jahr beziffert. Das kurzfristige Potenzial ergibt sich dabei aus einer konservativen Bewertung quantifizierbarer und heute bereits verfügbarer Innovationen aus den drei Hauptbereichen der industriellen Gesundheitswirtschaft: 

Medizintechnik

Die größte Effizienzreserve in der Medizintechnik liegt in der Ambulantisierung: Moderne, minimalinvasive Verfahren ermöglichen es, Eingriffe sicher vom stationären in den ambulanten Sektor zu verlagern.

Effizienzpotenzial: 9 Milliarden Euro

Arzneimittel & Biotechnologie

Innovative Arzneimittel verbessern unter anderem Behandlungsverläufe und reduzieren so Folgeerkrankungen, Krankenhausaufenthalte und Produktivitätsausfälle. 

Effizienzpotenzial: 4,6 Milliarden Euro

eHealth

Die smarte Vernetzung des Systems durch digitale Patientenakten, Telemedizin oder der Einsatz von KI-basierter Diagnostik steigern die Effizienz und verbessern gleichzeitig die Versorgungsqualität.

Effizienzpotenzial: 7,2 Milliarden Euro

Ein wichtiger Impuls der Analyse zudem: Die berechneten Effizienzreserven durch konsequenten Einsatz von Innovationen sind nicht isoliert zu betrachten - Innovationen im Gesundheitswesen entlasten nicht nur die Gesundheits- und Sozialbudgets, sondern entfalten darüber hinaus auch eine gesamtwirtschaftliche Wirkung. Zu den direkten Einsparungen kommt ein volkswirtschaftlicher Nutzen, insbesondere durch vermiedene Krankheitstage und den Erhalt von Erwerbsfähigkeit, der in der Studie mit zusätzlichen 17,5 Milliarden Euro pro Jahr beziffert wird. 

Zusammengenommen ergibt sich somit ein Gesamteffekt von 40,7 Milliarden Euro pro Jahr - allein durch den konsequenten Einsatz vorhandener Innovationen im Gesundheitswesen. Die Botschaft ist unmissverständlich: Innovationen sind nicht nur eine Investition in die Gesundheit - sondern gleichzeitig in Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Angesichts der Ergebnisse der Analyse stellt sich nicht die Frage, ob sich das deutsche Gesundheitssystem Innovationen leisten kann. Die Frage lautet vielmehr: Können wir es uns weiter leisten, auf Innovationen zu verzichten? Das wird noch deutlicher, wenn die Studie ihren Horizont erweitert. Dafür modelliert die Analyse zwei Szenarien bis in das Jahr 2045:

  • Das erste Szenario (“Referenzszenario”) geht von einer Fortschreibung der aktuellen Rahmenbedingungen aus. Die GKV-Leistungsausgaben steigen in diesem Szenario auf 663 Milliarden Euro im Jahr 2045.  Dies hat eine Erhöhung des Beitragssatzes auf 20,1% zur Folge.

  • Das zweite Szenario (“Vorfahrt für Innovationen und Digitalisierung”) geht hingegen von einer schrittweisen Hebung der beschriebenen Effizienzpotenziale ab 2026 aus. In diesem Szenario steigen die GKV-Leistungsausgaben bis 2045 auf 616 Milliarden Euro. Das entspricht Einsparungen von 47 Milliarden Euro gegenüber dem Referenzszenario und ermöglicht eine Begrenzung des Beitragssatzes auf 18,7% im Jahr 2045. 

Eine Reduzierung des Beitragssatzes um 1,4% im Jahr 2045 mag abstrakt klingen - tatsächlich bedeutet dies jedoch nicht nur eine spürbare Reduktion der Belastungen für Bürger und Unternehmen, sondern reduziert gleichzeitig auch strukturelle Risiken: Denn steigende Beiträge schwächen mittelfristig Beschäftigungsdynamik und Investitionsbereitschaft und gefährden so letztlich den gesamten Wirtschaftsstandort - bis hin zur Gefahr einer verstärkten Abwanderung industrieller Wertschöpfung ins Ausland.  

Die Studie von Prognos und BDI zeigt deutlich: Rund 21 Milliarden Euro an Effizienzpotenzial liegen bereits heute bereit - und perspektivisch ist eine echte Dämpfung der Ausgabendynamik möglich, wenn unser Gesundheitssystem konsequent auf Innovation setzt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Um die Potentiale langfristig freizusetzen, braucht es Rahmenbedingungen, die Effizienzen belohnen und Innovationen fördern. 

Voraussetzungen dafür sind unter anderem: 

  • Gesundheit als Standortfaktor verankern und ein ganzheitlicher Blick auf den Wert von Innovationen. Denn innovative Technologien, Gesundheitslösungen und Arzneimittel sind kein Kostenfaktor - sie sind eine Investition in volkswirtschaftliche Produktivität, Wachstum und Wohlstand. 

  • Innovationen beschleunigen. Die besten Innovationen sparen kein Geld, wenn sie nicht in der Versorgung ankommen. Bewertungsverfahren müssen entbürokratisiert und innovationsfreundlicher gestaltet werden. 

  • Potenziale von Digitalisierung für eine effizientere Versorgung nutzen. Der Schlüssel zur Effizienzsteigerung liegt im Aufbau eines interoperablen und leistungsfähigen Gesundheitsdatenökosystems, das Prävention, Diagnostik, Versorgung und Forschung besser verzahnt und Innovationen schneller in die Praxis bringt.

  • Ambulante Versorgung stärken. Fortschritte in Medizintechnik, Diagnostik und Digitalisierung ermöglichen eine zunehmende Verlagerung der heute stationär erbrachten Leistungen in den ambulanten Sektor. Dies erfordert eine Vergütung, die nicht die Zeit im Krankenhausbett, sondern den Behandlungserfolg honoriert. 

  • Steuerzuschuss für versicherungsfremde Leistungen erhöhen. Versicherungsfremde Leistungen dürfen das System nicht zusätzlich belasten, sondern sollten als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Steuermitteln finanziert werden. Eine vollständige Finanzierung dieser Leistungen könnte den Beitragssatz bereits heute um bis zu 3% reduzieren. Zusammen mit den Effizienzpotenzialen wäre dies eine echte Stabilisierung der Beiträge.

Hier die vollständige Studie “Effizienzpotenziale von Innovationen für das Gesundheitswesen” herunterladen.

Ansprechpartner
Dr. Tobias Hackmann
Excellence Lead Industrielle Gesundheitswirtschaft

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