Deutschland folgt dem Ziel der WHO und will Hepatitis B und Hepatitis C bis 2030 stark eindämmen. Zentrales Element auf diesem Weg ist ein Hepatitis-Screening, das 2021 bundesweit als einmaliger Bestandteil des Check-up 35 eingeführt wurde. Zwar wird es genutzt und von Ärztinnen und Ärzten als sinnvoll bewertet – das zeigen auch die steigenden Zahlen der diagnostizierten Infektionen. Dennoch bleibt der Effekt bislang begrenzt. Mögliche Gründe sind strukturelle Hürden, eine geringe Prävalenz in Hausarztpraxen und fehlende Informationen. Um das WHO-Ziel wirklich zu erreichen, braucht es noch mehr Engagement – von Ärzt:innenseite, der Politik und den Krankenkassen.
Das Hepatitis-Screening im Rahmen des Check-up 35 (Gesundheitsuntersuchung, GU) hat für vermehrte Aufmerksamkeit gesorgt – ein Schritt nach vorn, findet der Allgemeinmediziner Dr. Manuel Magistro.¹ Laut Robert Koch-Institut² wurden 2023 insgesamt 22.875 Hepatitis-B- Infektionen und 10.512 Hepatitis-C-Infektionen gemeldet – ein Anstieg um 36 Prozent bzw. 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nach Krankenkassenangaben wird dennoch nur ein Drittel der Menschen, die an einer GU teilnehmen, auf Hepatitis B oder Hepatitis C gescreent. Die möglichen Gründe: Erklärbedürftigkeit des Tests, geringe Vergütung, Zeitmangel.
Die Ärzteschaft steht dem Screening auf Hepatitis B/C jedoch mehrheitlich positiv gegenüber. Das zeigte eine Befragung unter Hausärzt:innen in Niedersachsen. 83 Prozent betrachten das Screening als ihre originäre hausärztliche Aufgabe, fast drei Viertel halten es für relevant, um Infektionen aufzudecken. Die Ansicht, das Screening sei überflüssig, lehnen 77 Prozent der Befragten ab. Und selbst wenn auch in dieser Befragung Zeitdruck, Bürokratie und unzureichende Vergütung angeführt werden: Den Mehraufwand für das Screening halten 81,2 Prozent für „vertretbar“.³
Probleme zeigen sich vor allem in den Details: Oft wird nur ein Teil der empfohlenen Tests angefordert – also HBs-Ag ohne HCV-Antikörper oder vice versa. Spätere Nachtestungen auf die jeweils andere Erkrankung sind schwierig, da die Testung nur einmalig bei der GKV abzurechnen ist. Auch organisatorisch hakt es: Häufig werden in Arztpraxen nur ein statt der empfohlenen zwei Blutröhrchen abgenommen – was eine zuverlässige PCR nach positivem Antikörpertest erschwert. Eine Lösung wären gezielte Schulungen, doch die Teilnahmebereitschaft unter Hausärzt:innen ist meist gering, so die Erfahrung von Uta Küsters, Labormedizinerin bei Bioscientia. Sie setzt nun auf MTA-Schulungen, um Prozesse besser abzusichern.
Das Screening im Check-up 35 erreicht nicht alle, die es bräuchten. Vulnerable Gruppen wie Personen mit Drogenabusus, Menschen mit Migrationshintergrund oder Wohnsitzlose sind oft unterrepräsentiert. Dabei ist bei ihnen die Wahrscheinlichkeit einer Infektion deutlich höher. Es brauche gezielte, regelmäßige Testungen für diese Menschen – auch außerhalb der Check-ups, plädiert der Infektiologe Dr. Pavel Khaykin, der eine Praxis im Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main betreibt. Nur so ließen sich Infektionen frühzeitig erkennen und behandeln.
Auch Politik und Krankenkassen sind in der Pflicht. Zwar erinnern viele Kassen ihre Versicherten an den Check-up 35, doch der Hinweis auf das Hepatitis-Screening fehle darin meist. Labormedizinerin Uta Küsters fordert eine gezielte Ansprache besonders gefährdeter Gruppen, etwa von Schwangeren oder Menschen mit Migrationsgeschichte. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz gibt Kassen inzwischen mehr Spielraum für individualisierte Kommunikation – doch das Screening ist darin noch nicht als Anwendungsfall vorgesehen. Hier ist Nachbesserung nötig.
Das Screening-Programm hat einen wichtigen Beitrag zur besseren Diagnostik von Hepatitis B und C geleistet – die Aufmerksamkeit hat zugenommen, und die gemeldeten Infektionszahlen steigen, weil mehr getestet wird. Doch durch Screening allein wird das WHO-Ziel nicht erreicht werden. Es braucht bessere Vergütung, gezielte Schulungen, eine differenziertere Ansprache von Risikogruppen und klare politische Lösungen für besonders vulnerable Menschen. Nur durch gemeinsames Handeln lässt sich Hepatitis in Deutschland bis 2030 wirklich eindämmen.
Referenzen
Alle Zitate: Roundtablegespräch 11. Juni 2025, Springer-Verlag, Heidelberg
Méndez-Brito A et al. Epid Bulletin 2024; 29:3-13
Bohnhorst A et al. Präv Gesundheitsf 2024; doi: 10.1007/s11553-024-01163-7
Links zu Websites Dritter werden im Sinne des Servicegedankens angeboten. Der Herausgeber äußert keine Meinung über den Inhalt von Websites Dritter und lehnt ausdrücklich jegliche Verantwortung für Drittinformationen und deren Verwendung ab.