Erschienen am {DATE} von {AUTHORS} in den Kategorien {CATEGORIES}

Der Fachkräftemangel ist mittlerweile in der Breite des deutschen Arbeitsmarktes angekommen. Rund 62 Prozent der Unternehmen sehen im Fachkräftemangel zu Beginn des Jahres ein signifikantes Geschäftsrisiko.¹ Im Gesundheitswesen ist diese Entwicklung bereits seit vielen Jahren virulent. In einer aktuellen Studie prognostiziert die Unternehmensberatung PwC, dass im Gesundheitswesen im Jahr 2035 voraussichtlich rund 1,8 Millionen Stellen nicht mehr besetzt werden können.² Im Bereich der Medizinischen Technolog:innen für Laboratoriumsanalytik (MTL) sind bereits heute 6,38 Prozent der Stellen vakant.³ Im Laufe der kommenden 10 Jahre wird bei den aktuellen jährlichen Absolvent:innenzahlen nur rund ein Drittel der rentenbedingten Abgänge ersetzt werden können.⁴ Zugleich ist davon auszugehen, dass bedingt durch eine alternde Gesellschaft das Probenaufkommen in den Laboren zunehmen wird.

Wie erfolgreiche Nachwuchsgewinnung aber auch die langfristige Bindung von Mitarbeitenden im Labor in dieser Situation gelingen kann, haben Branchenexpert:innen auf dem Roche Laborforum im Oktober 2023 in Mannheim diskutiert.

  • Dr. Steffi Burkhart, Human Capital Evangelist 

  • Christiane Maschek, Medizinische Hochschule Hannover und Präsidentin des DVTA

  • Harald Maier, Leiter des Labors InnKlinikum Altöttingen 

  • Prof. Dr. Marco Kachler, Biomedizinischer Analytiker und Medizinjurist, Fachhochschule Kärnten und Präsident des DIW-MTA Berlin

  • Fabian Raddatz, Geschäftsführer des Labor Berlin

Wie ticken junge Menschen heute? Wie spricht man sie richtig an? Mit welchen Argumenten überzeugen Arbeitgeber und wie lässt sich ein Arbeitsumfeld schaffen, das gleichermaßen attraktiv ist für junge und ältere Mitarbeitende? Antworten auf diese Fragen formulierte die promovierte Gesundheitspsychologin Dr. Steffi Burkhart in ihrer Keynote .

Darin betonte die Expertin, dass die GenZ heute soziale und persönliche Werte höher priorisiere als traditionelle Statussymbole. Unternehmen und Labore müssten daher:

  1. den gesellschaftlichen Beitrag ihrer Arbeit hervorheben,

  2. die Bedeutung der Gemeinschaft am Arbeitsplatz betonen,

  3. die Entfaltung der individuellen Leidenschaft und Stärken ihrer Mitarbeiter:innen fördern.

Gute Führung und Beziehungsmanagement seien wesentliche Erfolgsfaktoren im Wettbewerb um junge Mitarbeitende. Die Generation Z zeige eine geringe Arbeitsplatzloyalität, häufige Arbeitgeberwechsel werden für diese Generation laut Burkhart normal sein – ob sie es selbst wollen oder nicht. Unternehmen sollten daher noch stärker auf Bindung und Re-Boarding setzen.

Die Ansprache junger Talente erfordert ein tiefes Verständnis ihres Mindsets. Unternehmen müssen die Frage „Warum hier arbeiten?" konkret und emotional beantworten, idealerweise in authentischen Videos bzw. Bewegtbildern. Positive Emotionen sollten bei jedem Kontakt erzeugt werden, von der Website bis zum Bewerbungsgespräch. Gutes Onboarding beginnt vor dem ersten Arbeitstag, erläutert Burkhart. 

Empfehlungsmanagement und die Nutzung eigener Mitarbeitenden als Multiplikatoren werden in Zukunft entscheidend sein im Wettbewerb um junge Talente. Angesichts einer Belegschaft, die bis 2035 zu 75 Prozent aus den Generationen Y, Z und Alpha besteht, ist für Steffi Burkhart die Anpassung an deren Bedürfnisse und Kommunikation unerlässlich.

Wie dies im Alltag medizinischer Laboratorien umgesetzt werden kann, darüber diskutierten Expert:innen aus Laboratorien, Hochschulen und Verbänden im Live-Talk „Zukunft Medizinisches Labor: Strategien und Lösungen zur Fachkräftegewinnung und -sicherung.“

Den wesentlichen Rahmen für die Gewinnung und Ausbildung neuer Talente gibt das Gesetz über die Berufe der medizinischen Technologie (MT-Berufe-Gesetz – MTBG) vor, mit dem seit Beginn des Jahres 2023 die Ausbildung neu geregelt ist. Mit dem neuen MT-Berufe-Gesetz (v. Febr. 2021) ist die MTA-Ausbildung (nach MTAG v. Aug. 1993) nach fast 30 Jahren umfassend reformiert. Neben der Abschaffung der Schulgebühren wurde die Einführung einer verpflichtenden angemessenen Ausbildungsvergütung beschlossen. Die neue Berufsbezeichnung, "Medizinische Technolog*innen", die seit Januar 2023 die MTA-Bezeichnung ersetzt, trägt zur positiven Wahrnehmung in der Branche bei und zieht potenziell interessierte Schulabsolvent:innen der allgemeinbildenden Schulen an. Diese Änderungen erhöhen insgesamt die Attraktivität der MTL-Ausbildung und tragen wesentlich zur Fachkräftesicherung bei, auch für die Zukunft. Wie in anderen Gesundheitsfachberufen auch, braucht es nach dem MTBG Praxisanleiter:innen (§20 MTBG) in den Betrieben, um eine Kooperationsvereinbarung zwischen Schule und Betrieb abschließen zu können. Aktuell besteht in einzelnen Regionen und Fachgebieten noch ein Mangel an dieser Position. Zur erforderlichen Qualifikation von praxisanleitenden Personen sowie den Auswirkungen auf die Personalplanung in Laboren informiert auch der Dachverband für Technolog:innen und Analytiker:innen in der Medizin Deutschland (DVTA) auf seiner Website. Um die bestehende Lücke zwischen rentenbedingten Abgängen und Absolvent:innenzahlen zu schließen, brauche es eine Anhebung der MTL-Ausbildungsplätze. Hier sei die Politik gefragt, betont Christiane Maschek von der Medizinischen Hochschule Hannover und Präsidentin des DVTA. 

Durch die neuen gesetzlichen Möglichkeiten zur Kooperation von Laboratorien mit MT-Schulen besteht die Chance zur regionalen Nachwuchsgewinnung. Dies bietet die Möglichkeit, persönlich vor Ort in den Schulen für die Arbeit in einem Labor zu werben, Interesse zu wecken und in einen Dialog zu treten. „Es reicht nicht, wenn über den Verband das allgemeine Interesse für einen Beruf in einem Labor geweckt wird, die jungen Leute müssen zu mir ins Labor nach Altöttingen kommen und sehen, was wir ihnen vor Ort Tolles bieten.“, so begründet der Leiter des Labors InnKlinikum Altöttingen Harald Maier seine Intention direkt an den Schulen, beispielsweise im Rahmen von Ausbildungstagen, um zukünftige Fachkräfte zu werben. 

Der neue Ansatz mit seinen hohen Praxisanteilen soll die Qualität der Ausbildung verbessern. Prof. Dr. Marco Kachler von der Fachhochschule Kärnten ist überzeugt, dass er damit den Bedürfnissen der jungen Generation entspreche und eine gute Grundlage für eine lange berufliche Karriere legt. Die Ausbildung sei attraktiv, das belegten die gestiegenen Bewerberzahlen. Die Erfahrung zeige, dass das Beziehungsmanagement ein wesentlicher Faktor bei der Nachwuchsgewinnung sei. Empfehlungen früherer Absolvent:innen für die Ausbildung an der Fachhochschule machten einen Großteil der neuen Studierenden aus. „Ich muss das verändern, was ich verändern kann, das ist die Arbeit am Beziehungsmanagement.“ Wenn die Absolvent:innen mit ihrer Ausbildung zufrieden sind, dann habe er einen wichtigen Beitrag geleistet, wirbt Prof. Kachler dafür, dass jeder einen positiven Beitrag zur Bewältigung des Fachkräftemangels leisten kann.

Laboratorien und Entscheider:innen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie sie sich aufstellen müssen, um für Absolventen ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, rät Steffi Burkhart, die junge Generation und ihr Wissen aktiv einzubeziehen. Dies sei bereits ein erster wichtiger Beitrag des Empowerments.

Die Einbindung der Mitarbeitenden, das Empowerment, sei neben dem Sinn der eigenen Arbeit ein wesentlicher Faktor zur Attraktivität als Arbeitgeber, bestätigt auch Fabian Raddatz, Geschäftsführer des Labor Berlin. Dies könne beispielsweise geschehen, indem man Kapazitäten schaffe, um interessierte Mitarbeiter:innen in die Arbeit an Innovationsprojekten oder die Entwicklung neuer Prozesse einzubinden. Aber auch die Reflektion des eigenen Recruitments sowie der Arbeits- und Lohnbedingungen sei wichtig und müsse immer wieder gemeinsam hinterfragt werden. Im Labor Berlin wurde für diesen Dialog ein strukturierter Prozess implementiert, um abteilungsübergreifend neue Konzepte zu entwickeln und hierbei frühzeitig die Ideen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzubeziehen.

Wesentliche Bestandteile der Attraktivität sind Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, die Chance zur Verantwortungsübernahme und Flexibilität, insbesondere in der Arbeitszeitgestaltung. Hierzu gehöre beispielsweise auch die flexible, selbstbestimmte Gestaltung von Dienstplänen. Die Einführung einer Dienstplan-App habe hierzu einen wesentlichen Beitrag geleistet, berichtet Harald Maier aus seinem Laboralltag in Altöttingen.

„Fördern und fordern, mit den Mitarbeiter:innen im Dialog sein und den Dialog zwischen den Generationen fördern, zum Beispiel durch ein betriebsinternes Mentoring, das ist wichtig. Dieser Dialog leistet einen wichtigen Beitrag zu einer hohen individuellen Arbeitszufriedenheit und einer guten Betriebskultur“, ist sich Harald Maier sicher. 

Personalmanagement müsse alle Generationen und ihre individuellen Bedürfnisse einbeziehen, rät auch Steffi Burkhart. So könne zudem ein Beitrag geleistet werden, um auch verdiente Mitarbeiter:innen aus der Boomer-Generation (Jahrgänge 1950–1964) eventuell noch länger im Labor zu halten.

Die Teilnehmenden des Live-Talks schauen optimistisch in die Zukunft – trotz der gewaltigen Herausforderungen aufgrund des Fachkräftemangels, des neuen gesetzlichen Ausbildungsrahmens, der Bedürfnisse und Wünsche nachkommender Generationen sowie des Brain-Drains durch den baldigen Ruhestand vieler erfahrener Mitarbeitenden. Die Herausforderungen seien lösbar und man habe vielerorts bereits wichtige Schritte in die richtige Richtung gemacht. Allen Laboratorien und Betrieben, die noch am Anfang stehen oder nicht über die notwendigen eigenen Ressourcen verfügen, rät die Expertin Steffi Burkhart, sich starke Partner wie Roche zu suchen und bestehende Austauschformate und die Labor-Community für sich zu nutzen.

In der heutigen Zeit ist es von entscheidender Bedeutung, dass jedes Unternehmen eine klare und ansprechende Antwort auf die Frage bietet: Warum sollte jemand in Ihrem Unternehmen arbeiten? Diese Antwort sollte nicht nur prägnant und authentisch sein, sondern auch leicht online auffindbar sein, idealerweise in Form von kurzen, informativen Videos, Formulierungen und Botschaften.

Im Bereich des Recruitings bleibt die persönliche Ansprache und Empfehlung ein unschätzbar wertvolles Instrument. Daher sollten Sie Ihre Mitarbeitenden zu Botschaftern für Ihr Unternehmen machen! Ihre Mitarbeitenden sind das Herzstück Ihres Betriebes und können dazu beitragen, die Kultur und die Chancen, die Ihre Organisation bietet, eindrucksvoll zu vermitteln. 

Gute Führung spielt eine entscheidende Rolle für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden.  Heute erwarten viele junge Talente einen individuellen Führungsstil, der sie persönlich anspricht und befähigt. Die Zeiten, in denen Einheitsführung die Norm war, sind vorbei. Es ist entscheidend, Mitarbeitende aktiv in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und den Dialog zu fördern.

Der Einsatz von digitalen Technologien und Automation kann einen erheblichen Beitrag zur Entlastung des Personals leisten. Innovative IT- und Automationslösungen ermöglichen nicht nur eine erhebliche Effizienzsteigerung in Arbeitsabläufen, sondern auch eine spürbare Reduzierung der Arbeitsbelastung der MTL. Ein höherer Grad an Automatisierung und Konsolidierung auf wenige, aber gemeinsam genutzte Systeme kann wiederkehrende Aufgaben effizienter und zeitsparender gestalten, sodass Ihre Mitarbeitenden mehr Zeit für kreative und anspruchsvolle Aufgaben haben.

Referenzen

  1. Geschäftsrisiken für die deutsche Industrie 2023 | Statista

  2. PwC-Studie: Fachkräftemangel im deutschen Gesundheitswesen (2022):

  3. ALM: Online-Survey zur Fachkräftesituation MTL (2023):

  4. Destatis 2022

Melden Sie sich zum Newsletter an und erhalten Sie direkt die Neuigkeiten aus der Diagnostik in Ihr Postfach.

Links zu Websites Dritter werden im Sinne des Servicegedankens angeboten. Der Herausgeber äußert keine Meinung über den Inhalt von Websites Dritter und lehnt ausdrücklich jegliche Verantwortung für Drittinformationen und deren Verwendung ab.