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Ganz egal ob Einbauküche, industrielle Großproduktion oder medizinisches Labor: Ein Prozess ist ein Prozess. Hier wie dort geht es um Workflow, Geschwindigkeit, Qualität, Fehlerquote, Verfügbarkeiten, Lieferketten und Kosten. Im Labor allerdings ist im Gegensatz zur Industrie der Fokus auf den Prozess noch nicht durchweg gängige Praxis, Prozessoptimierungen und damit verbundene Standards und Normen für Qualitätsmanagement nicht selbstverständlich. Für Labore liegt jedoch genau darin ein großes Potenzial: Prozesse konsequent und kontinuierlich zu verbessern, zu verschlanken und gleichzeitig robuster zu machen. Labore können dabei vom Prozesswissen der Industrie und den dort bewährten Methoden lernen.

Medizinische Labore stehen vor großen Herausforderungen: Kostendruck und Veränderungsgeschwindigkeiten sind spürbar gestiegen und immer häufiger gilt es, neue Messmethoden und Tests schnell und sinnvoll in bestehende Laborprozesse zu integrieren. Aber auch jenseits von Neuerungen fordert die Alltagsroutine Laboren viel Flexibilität ab: Die Probeneingangsmenge etwa variiert enorm je nach Jahreszeit oder Infektionsgeschehen. Zudem trägt die Gebührenordnung für Tests den gestiegenen Kosten für Energie, Personal, Reagenzien und andere Verbrauchsmaterialien nicht ausreichend Rechnung. Trotzdem gilt sowohl für die Industrie als auch für Labore: Sie müssen ihre Leistungen in hoher Qualität sowie termingerecht erbringen und dabei ungeachtet der Kostensituation Gewinn erwirtschaften.

Doch wie schafft man es, das Dreieck aus Qualität, Lieferzeitpunkt und Kosten beziehungsweise Preis in Einklang zu bringen? Die Erfahrungen aus der Industrie sind hier ganz klar: Dieser schwierigen Aufgabe kann man nur mit konsequentem Fokus auf den Prozess beikommen. Denn nur wenn ich den gesamten Prozess verstanden habe und ihn in der Folge gezielt optimieren kann, wird er schlanker, effizienter und am Ende robuster, aber auch qualitativ hochwertiger und gleichzeitig kostengünstiger. Die Qualität von Produkten oder Dienstleistungen ist kein Zufallsprodukt. Vielmehr muss Qualität systematisch und sorgfältig geplant und mit entsprechenden Maßnahmen konsequent umgesetzt werden. Es geht darum, Prozesse so zu gestalten, dass am Ende stets Qualitätsware oder Qualitätsarbeit herauskommt. In der Industrie verfügen die Anwender über entsprechende Standards und Normen, die die Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme festlegen, etwa die weltweit gültige, branchenübergreifende Norm ISO 9001. Sie fordert unter anderem, dass jeder Prozess geplant, gesteuert, überwacht und verbessert werden muss.

Um die Anforderungen der ISO 9001 zu erfüllen, bedient sich die Industrie aus einer prall gefüllten Toolbox an Methoden, mit denen sich Prozesse analysieren und optimieren lassen. Grundsätzlich geht es dabei immer darum, Verschwendung, also nicht wertschöpfende Tätigkeiten, zu vermeiden, den Fluss sicherzustellen und am Ende einen Takt zu finden, um flexibel, robust, einfach und effizient arbeiten zu können. Aus der Toolbox der Industrie haben sich dabei verschiedene Methoden bewährt, die auch im Labor nützlich sind und Prozessoptimierungen effektiv voranbringen können. Jede dieser Methoden kann dabei helfen, komplexe Arbeitsprozesse zu analysieren und zu verbessern – unabhängig davon, ob Laufwege und Handgriffe in einer Einbauküche zu optimieren sind oder die komplexen Abläufe von industriellen Produktionsanlagen.

Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) bezeichnet die fortlaufende Optimierung von Prozessen. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass auch ein qualitativ hochwertiger Prozess regelmäßig unter die Lupe genommen und manchmal geändert werden muss, um ihn an neue Entwicklungen und Ansprüche anzupassen. KVP läuft in der Regel systematisch in mehreren aufeinanderfolgenden Schritten ab: Ziele festlegen, Prozesse und Abläufe definieren, dokumentieren und bewerten sowie schließlich die Analyse der Prozesse und darauf basierende Prozessanpassungen.

Die 5S-Methode zielt darauf ab, Verschwendung im Produktionsprozess nachhaltig zu verringern und dabei gleichzeitig auch die Sicherheit am Arbeitsplatz zu steigern. Die fünf ‚S‘ stehen dabei für sortieren, systematisieren, säubern, standardisieren und Selbstdisziplin üben. Zu den wichtigen KPIs für die Qualität von Prozessen in der Industrie zählt auch die Mean Time Between Failures (MTBF). Die MTBF bezeichnet die mittlere Betriebsdauer zwischen ungeplanten Unterbrechungsstopps und ist damit ein Maß für die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit von Geräten, Anlagen oder Hardware – also ein auch in der Labordiagnostik nützlicher Indikator.

TIMWOOD nimmt ebenfalls Verschwendung in den Blick. Das Akronym steht für die sieben Verschwendungsarten, die in der klassischen Lean Production Lehre nach Taiichi Ohne beschrieben werden: Transport, Inventory (Bestände), Motion (Bewegung), Waiting (Wartezeit), Over-Production (Überproduktion), Over-engineering (falsche Technologie/Prozesse) sowie Defects (Ausschuss).

Die Methode Lean Six Sigma zur kontinuierlichen Verbesserung der Leistung und Qualität von Prozessen kombiniert Lean Management und Six Sigma. Ziel ist es, mit möglichst niedrigen Betriebskosten und größtmöglicher Flexibilität die Unternehmensziele zu erreichen.

Die Wertstromanalyse ist eine betriebswirtschaftliche Methode zur Verbesserung der Prozessführung in Produktion und Dienstleistung. Dabei werden unter anderem Flussdiagramme zur Illustration, Analyse und Verbesserung der einzelnen Prozessschritte erstellt.

Die Kenntnis dieser Methoden aus der Industrie ist auch für Prozessoptimierungen im Labor ein hilfreiches Gerüst. Ausgangspunkt ist dabei immer die sorgfältige Analyse des Status quo. Gerade während der Corona-Pandemie standen viele Labore vor der Herausforderung, ihre Prozesse so zu verändern, dass sie in der Lage waren, die Anzahl von PCR-Tests in kurzer Zeit um ein Vielfaches hochzuskalieren. So auch im MVZ Dr. Stein & Kollegen. Das Labor beteiligte sich an einem Schulprojekt und musste Proben von rund 5.000 Schulklassen aus der ganzen Region analysieren. Das heißt, statt wenigen Hundert PCR-Proben am Tag galt es nun plötzlich, mehrere Tausend Proben täglich zu verarbeiten. In der Analysephase haben wir den kompletten Workflow vor Ort – vom Probeneingang bis zum Befund – unter die Lupe genommen. Dabei haben wir die einzelnen Arbeitsgänge dokumentiert, Zeiten und Laufwege gemessen, Schnittstellen geprüft. Alle Handgriffe, Geräte und Räumlichkeiten kamen auf den Prüfstand. Gerade der Blick von außen durch einen neutralen Prozessbegleiter hat dabei geholfen, Verbesserungspotenzial aufzuspüren. Oft sind es die vermeintlich ‚dummen‘ Fragen von außen, die zur Lösung beitragen. Im MVZ Dr, Stein & Kollegen hatten wir beispielsweise eine über Jahre gewachsene Struktur mit unterschiedlichen Systemen, die noch dazu in unterschiedlichen Räumen standen. Am Ende der Analysephase folgte dann der große Umbau mit neuen Geräten und einer kompletten Neuorganisation des Probenflusses.

Der erfolgreiche Veränderungsprozess während der Coronazeit hat den Mitarbeitenden im MVZ Dr. Stein & Kollegen gezeigt, dass es möglich ist, auch große Herausforderungen zügig zu bewältigen – eine Erkenntnis, die enorm motiviert. Die Bereitschaft für Veränderung ist gewachsen und viele Mitarbeitende beginnen nun aus eigenem Antrieb, Prozesse zu hinterfragen und Verbesserungen anzustreben. Darauf können Labore aufbauen, denn auch in der Zukunft kommen vielfältige neue Entwicklungen und Herausforderungen auf die Labore zu. Digitalisierung, Automatisierung und Prozessoptimierungen sind Schlüsselbegriffe für das erfolgreiche Labor der Zukunft. Gerade in der Präanalytik steckt beispielsweise viel Potenzial, da hier häufig noch zahlreiche manuelle Arbeitsschritte notwendig sind. Für den Erfolg ist es entscheidend, das Change Management gemeinsam mit den Mitarbeitenden anzupacken, ihnen gut zuzuhören und sie früh einzubinden. Bei der Planung und Umsetzung von Veränderungsprozessen können gerade Quereinsteiger und Prozessoptimierer aus der Industrie den Blick weiten und zu neuen Lösungswegen beitragen.

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