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Bei einer parlamentarischen Frührunde zum Thema „Mit Gesundheitsdaten Leben retten“ diskutierten Bundestagsabgeordnete mit Vertreter:innen aus Wirtschaft, Klinik, Versorgungsforschung sowie aus Patient:innenperspektive über den Wert von Prävention und Früherkennung – und die essenzielle Rolle von Daten dabei. Passend zum Leberkrebs-Awareness-Monat im Oktober tauschte sich die Runde am Beispiel des hepatozellulären Karzinoms (HCC) auch über datenbasierte digitale Marker wie den GAAD-Algorithmus aus, der es ermöglicht, Erkrankte bereits im potenziell kurativen Stadium zu identifizieren. Angesichts der Unterversorgung in Deutschland, wo HCC-Patient:innen trotz verfügbarer digitaler Möglichkeiten meist erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert werden, waren Versorgungsstrukturen und Vergütungswege ebenfalls wichtige Themen.

Besonders intensiv diskutierte die Runde darüber, wie sich Versorgungs- und Vergütungsstrukturen ändern müssen, um den Einsatz innovativer, leistungsstarker Diagnostika schnell in die Breite zu bringen. In einer aktuellen Analyse der AG Versorgungsforschung am LMU Klinikum München auf Basis von BARMER Krankenkassendaten, die sich aus mehr als neun Millionen Patient:innen speisen, kristallisierte sich beim Beispiel HCC eine klare Unterversorgung heraus: Zwei Drittel der Patient:innen werden erst im nicht-kurativen Stadium diagnostiziert.¹

Auch wenn sie erkrankt ist, arbeitet die Leber lange Zeit im Verborgenen und leidet still, ohne mit spezifischen Symptomen auf sich aufmerksam zu machen. Erkrankungen dieses lebenswichtigen Organs bleiben deshalb lange unentdeckt und unbehandelt. Dabei können verschiedene chronische Lebererkrankungen in eine Leberzirrhose, in die Notwendigkeit einer Lebertransplantation und/oder in ein hepatozelluläres Karzinom münden. Diese Spätfolgen gehen mit schweren Komplikationen einher und sind oft nur schwer zu behandeln. Eine Früherkennung würde hier also viel verbessern. In puncto Hepatitis B und Hepatitis C gab es in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte bei Prävention und Früherkennung, nachdem im Oktober 2021 Tests auf diese Virusinfektionen der Leber in den Check-Up 35 integriert wurden. Erste Auswertungen zeigen, dass das Screening die Betroffenen mit Hepatitis B und C sehr effektiv identifizieren kann. So stieg im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Hepatitis-B-Diagnosen um 91 Prozent und die der Hepatitis-C-Diagnosen um 66 Prozent.² Die Diagnosestellung ermöglicht es, die chronische Hepatitis C mit modernen antiviralen Medikamenten dauerhaft zu eliminieren oder, im Fall von chronischer Hepatitis B, die Fibrosebildung einzudämmen und Langzeitschäden zu vermeiden.² Allerdings ist das Screening noch nicht in der Breite der Versorgung angekommen. So wussten in einer repräsentativen Onlinebefragung von YouGov im Jahr 2023 beispielsweise nur 17 Prozent um das kostenlose Testangebot ab 35 Jahren und nur einem von vier Befragten wurde beim Check-Up 35 ein Gratis-Test auf Hepatitis angeboten.³

Auch beim HCC kann Früherkennung nachweislich viel erreichen. So ist bei einer frühen Diagnose die 5-Jahres-Überlebensrate mit 40 bis 70 Prozent signifikant viel höher als bei einer Entdeckung der Krankheit erst im Spätstadium, wo sie unter fünf Prozent liegt.⁴ Eine Möglichkeit, die frühe Diagnose beim HCC zu unterstützen, ist der GAAD-Score, ein von Roche Diagnostics entwickelter und CE-gekennzeichneter IVD-Algorithmus, der die Biomarker AFP (alpha-Fetoprotein) und PIVKA-II (Protein-induziert durch Vitamin-K-Abwesenheit) mit Geschlecht und Alter der Patient:innen kombiniert.⁵ Prof. Dr. Ralf Lichtinghagen von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat ihn in der Praxis erprobt. Seine Untersuchung konnte zeigen, dass der digitale Marker es ermöglicht, bei Patient:innen mit chronischer Lebererkrankung ein HCC bereits im Frühstadium zu diagnostizieren. Der GAAD-Algorithmus ist aber nicht nur potenziell lebensrettend bei HCC. Vielmehr ist er ein umfassendes Konzept für die Lebergesundheit mit dem doppelten Ziel, unentdeckte Lebererkrankungen bei asymptomatischen Patient:innen aufzuspüren und zu behandeln, um Spätfolgen zu vermeiden. Und, auf der anderen Seite, Patient:innen mit Vorerkrankungen gezielt zu überwachen, um Krebserkrankungen vorzubeugen oder in einem frühen Stadium zu entdecken.

Der CE-gekennzeichnete GAAD-Algorithmus kann bei Patient:innen mit diagnostizierter chronischer Lebererkrankung eingesetzt werden, wenn die Surveillance aufgrund eines erhöhten Risikos für die Entwicklung eines HCC angezeigt ist. Allerdings gibt es aktuell für den Mehrwert von digitalen Markern wie des GAAD-Algorithmus keinen Vergütungsweg. Im August 2023 reichte Roche Diagnostics Deutschland GmbH einen Antrag auf Auskunftserteilung beim Bewertungsausschuss des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) hinsichtlich des einzuschlagenden Vergütungsweges für GAAD als neuartige Leistung ein. In seiner Antwort schrieb der Ausschuss, dass GAAD gar nicht gesondert – also neben den bereits erstatteten Parametern AFP und PIVKA/DCP – erstattungsfähig sei. Er bezieht sich dabei auf die Präambel Nr. 7 des Kapitels 32 EBM, die regelt, dass die rechnerische Ermittlung von Ergebnissen aus anderen Messwerten nicht berechnungsfähig sei. Somit stehen dem GAAD-Algorithmus trotz seiner großen und belegten Leistungsfähigkeit bei der Früherkennung von Lebererkrankungen und Leberkrebs weder der Vergütungsweg als Neue Methode noch der als Neue Leistung offen. Die fehlende oder unzureichende Vergütung wiederum ist ein Hemmnis für die breite Anwendung, wie viele Beispiele zeigen.

Das Beispiel des GAAD-Algorithmus zeigt, dass die aktuellen Vergütungswege und Bewertungskriterien im deutschen Gesundheitswesen nicht auf innovative Diagnostika wie beispielsweise digitale Marker sowie deren schnellen Innovationszyklen ausgerichtet sind. Vielmehr kämpft das System mit teilweise veralteten Bewertungsstrukturen und falschen Anreizsystemen. Als Folge davon kann es trotz vorhandener diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten zur Unterversorgung von Patient:innen kommen und wertvolle Gesundheitsdaten ungenutzt bleiben. Das ist ein erheblicher Verlust, denn wie es das Beispiel von Leberkrebs eindrücklich gezeigt hat, können Gesundheitsdaten Leben retten. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Mieves, Schirmherr der parlamentarischen Frührunde und Sprecher für e-health seiner Fraktion, stellte denn auch eine ermutigende Diagnose: „Ich spüre viel Engagement und Rückenwind für die sinnvolle Nutzung von Daten zum Wohle unserer Gesundheit“.

Referenzen

  1. https://www.linkedin.com/posts/roche-deutschland_awareness-monat-leberkrebs-risikofaktoren-activity-7247627562003165184-4fvt/?originalSubdomain=de - Abruf 26.11.2024

  2. https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/Hepatitis-Screening-noch-zu-wenig-bekannt-451375.html - Abruf 26.11.2024

  3. https://www.roche.de/patienten-betroffene/informationen-zu-krankheiten/hepatitis

  4. El-Serag et al. (2011)Ther Adv Gastroenterol 4: 5 – 1

  5. https://www.roche.de/diagnostik/produkte-loesungen/digitale-loesungen/gaad-algorithmus

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