Gebärmutterhalskrebs kann durch konsequentes Impfen und Screenen weitgehend eliminiert werden – davon sind Expert:innen überzeugt. Beim Screening spielt die Detektion unterschiedlicher HPV-Genotypen eine essenzielle Rolle, da sie eine genaue Einschätzung des Dysplasie- und Erkrankungsrisikos ermöglicht. Die Redaktion sprach mit Prof. Dr. Thomas Iftner, Direktor des Institutes für Medizinische Virologie und Epidemiologie der Viruskrankheiten am Universitätsklinikum Tübingen darüber, welche Fortschritte es international bei der weiteren Risikostratifizierung von Frauen mit einem positiven Screening-Befund gibt, welche Rolle die erweiterte HPV-Genotypisierung dabei spielt – und wie diese in der Praxis die Patientinnenversorgung optimieren kann.
Direktor des Institutes für Medizinische Virologie und Epidemiologie der Viruskrankheiten am Universitätsklinikum Tübingen
Herr Professor Iftner, Sie sind kürzlich von Pakistan zurückgekehrt, wo Sie in Sachen Gebärmutterhalskrebs unterwegs waren. Welche Chancen bieten sich für dieses Land, aber auch weltweit, durch ein Gebärmutterhalskrebs-Screening mit HPV-Genotypisierung?
Gebärmutterhalskrebs ist weltweit verbreitet, er wächst langsam – und geht in fast 100 Prozent der Fälle auf eine länger dauernde Infektion mit einem oder mehreren Hochrisikotypen von HPV zurück. Wir haben also die Chance, diesen Krebs wirklich zu eliminieren, indem wir einerseits die Infektionsrate durch Impfung verringern und andererseits Infektionen mit HPV-Hochrisikotypen früh entdecken, bevor eine Krebsvorstufe oder Krebs entsteht. Die Identifizierung der vorhandenen, unterschiedlich gefährlichen HPV-Genotypen ermöglicht es Ärzt:innen, wesentliche Fragen sicherer zu entscheiden, etwa, in welchem Intervall die Betroffenen sich wieder testen lassen sollen oder ob als nächster Schritt eine Kolposkopie mit Entnahme von Gewebeproben angebracht ist.
Nun kommen je nach Land und Ausgestaltung der Screening-Programme beispielsweise auch kombinierte Testungen – also Zytologie und HPV – zum Einsatz. Wie passt die HPV-Genotypisierung hier rein?
Ja, Screening-Programme können unterschiedliche Tests beinhalten und beispielsweise auf eine Kombination von Testmethoden setzen. Häufig beinhalten diese Kombinationen HPV-Testungen – etwa in Deutschland, wo das Programm seit 2020 für Frauen ab 35 Jahren eine Co-Testung aus Zytologie und HPV-Nachweis vorsieht. Wichtig ist, dass die Entscheidungen über die geeigneten Testmethoden und Intervalle auf einer guten Datengrundlage beruhen – und zur Versorgungssituation im Land passen. Denn nicht überall auf der Welt gibt es ausgebildete Zytoassistent:innen, oder aber es gibt viel zu wenige. Teilweise werden, wie beispielsweise in Pakistan, keine Abstriche genommen, weil es in den Kliniken – außer in einer in der Hauptstadt – schlicht keine Abstrichmaterialien gibt. Hier bietet die erweiterte HPV-Genotypisierung eine einmalige Chance, Frauen mit wahrscheinlich erhöhtem Risiko für Gebärmutterhalskrebs zu finden. Und auch in Deutschland hat man mit der Einführung des Co-Testens einen großen Schritt in die richtige Richtung getan.
Was kann uns denn das Vorhandensein bestimmter HPV-Genotypen alles sagen?
Studien belegen, dass die Dauer von transienten Infektionen, das Risiko für die Ausbildung von persistierenden Infektionen sowie das Risiko für höhergradige Gewebeveränderungen vom jeweiligen Genotyp abhängig sind. So weist der Genotyp mit dem höchsten Risiko, HPV 16, mit 30 Prozent auch die höchste Persistenzrate auf. Das ist eine um ein Vielfaches höhere Rate als die fünf bis sieben Prozent bei anderen Genotypen wie etwa HPV 53. Es geht aber noch konkreter: In einer großen prospektiven Kohortenstudie, die wir mit der Danish Cancer Society durchgeführt haben, hat es sich gezeigt, dass Frauen mit einer persistierenden HPV 16 Infektion auf zehn Jahre gesehen ein Risiko von 50 Prozent haben, eine schwere Dysplasie am Muttermund (CIN 3) oder eine noch höhergradigere Gewebeveränderung zu entwickeln. Für den Genotyp HPV 18 ist dieses Risiko etwas kleiner, dicht gefolgt von HPV 31 und 33.
Das Wissen um die vorhandenen Genotypen und ihre Risikoklassifizierung ist also sehr wertvoll, um effektive Screening-Programme aufzusetzen sowie geeignete Leitlinien und Schwellenwerte zu definieren. In Deutschland beispielsweise wurde in der S2-Leitlinie die Empfehlung aufgenommen, dass bei einem Risiko von zehn Prozent oder höher für eine CIN 3 eine Kolposkopie gemacht werden soll.
Stichwort Kolposkopie: Zytologiepraxen in Deutschland verzeichnen seit der Einführung des Co-Screenings einen Ansturm. Dabei stellen sich viele Kolposkopien und Biopsien im Nachhinein als unauffällig heraus. Was kann man hier tun?
Die in Deutschland seit Einführung des Co-Screenings alle drei Jahre für Frauen ab 35 Jahren beobachtete hohe Anzahl der Kolposkopien wird sich ab dem zweiten Intervall, an dessen Anfang wir aktuell stehen, spürbar verringern. Denn es kommen neu nur diejenigen Frauen dazu, die jetzt 35 Jahre alt werden. Da HPV sehr verbreitet ist, finden wir zu Beginn eines neuen Screening-Programms naturgemäß sehr viele Frauen, die HPV positiv sind, aber noch keine klinischen Veränderungen haben und deren Zytologie folglich unauffällig ist. Das Screening in Deutschland sieht aktuell für diese Frauen eine Wiederholung des Co-Testens nach einem Jahr vor. Da eine transiente Infektion aber durchaus 16 bis 18 Monate dauern kann, bis sie von selbst ausheilt, ist das vorgesehene Intervall von zwölf Monaten eigentlich zu kurz. Es finden sich denn auch bei über 50 Prozent dieser Frauen beim erneuten Testen wieder ein positiver HPV-Test und sie werden deshalb zur Kolposkopie geschickt, häufig unnötig. Hier können wir also mittels Identifizierung der verschiedenen Genotypen das Screening optimieren und Überbehandlung reduzieren: sind Hochrisikotypen wie HPV 16, 18, 31 und 33 beteiligt, ist eine Kolposkopie auch bei unauffälliger Zytologie der nächste Schritt. Sind hingegen nur Genotypen mit niedrigerem Risiko festzustellen, reicht es wahrscheinlich, das Screening nach 18-24 Monaten zu wiederholen.
In Deutschland müssen die verwendeten Tests die Hochrisikotypen HPV 16 und HPV 18 einzeln ausweisen können. Wird also das Potenzial der HPV-Genotypisierung genutzt?
Ja, der Gemeinsame Bundesausschuss sieht vor, dass die Kosten für die Tests nur erstattet werden, wenn sie über die Detektion von HPV hinaus gleichzeitig auch die Hochrisikotypen HPV 16 und HPV 18 einzeln ausweisen können, neben der gepoolten Testung weiterer zwölf Genotypen. Allerdings werden diese wichtigen Informationen insbesondere zu HPV 16 und 18 aktuell in der Praxis nicht herangezogen, um eine individuelle Risikoabschätzung für die Frau vorzunehmen oder einen Zugang zur Kolposkopie zu definieren. Hier schlummert also noch viel Potenzial für ein effektiveres Screening und gezieltere Bekämpfung von Gebärmutterhalskrebs.
Welche Möglichkeiten meinen Sie hier konkret?
Über den Einzelnachweis von HPV 16 und 18 hinaus, wäre es sicher sinnvoll, die Anzahl der zu detektierenden Genotypen zu erweitern und auch HPV 31 und HPV 33 einzeln nachzuweisen und für die individuelle Risikoabschätzung zu berücksichtigen. Denn das mit ihnen verbundene Risiko ist, wie oben erwähnt, nur wenig kleiner als bei HPV 16 und HPV 18. Und auch vom anderen Ende her gedacht gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Entdeckt man bei der HPV-Genotypisierung nur solche mit niedrigerem Risiko, etwa HPV 56, 59 und 68, müsste die betroffene Frau nicht innerhalb von drei Monaten zur Kolposkopie geschickt werden. Vielmehr könnte man noch abwarten, die Testung später wiederholen und erst dann über den nächsten Schritt entscheiden.
Offen gesagt klingt das alles sehr kompliziert. Was ist bei der Umsetzung zu beachten, damit möglichst viele am Screening teilnehmen?
Das Thema ist tatsächlich nicht einfach. Umso wichtiger ist eine gründliche und zielgruppengerechte Aufklärung, um möglichst viele zur Teilnahme am Screening, aber auch an den Impfprogrammen zu bewegen. Menschen aller Schichten und mit unterschiedlichem Vorwissen sollten niederschwellig angesprochen werden, am besten in mehreren Sprachen, auch in den sozialen Medien oder im Fernsehen. In Australien beispielsweise hat die Impfbereitschaft stark zugenommen, nicht zuletzt durch Fernsehspots.
Und was bringt eine erweiterte HPV-Genotypisierung den Ärzt:innen in der Praxis?
Sie kann vieles einfacher machen. Die Ärzt:innen könnten die Ergebnisse der HPV-Genotypisierung für die individuelle Risikoabschätzung nutzen und so die Patientinnenversorgung optimieren. Das gilt besonders bei HPV-geimpften Frauen in der Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge, bei Frauen mit persistierend positiven HPV-Testergebnissen und bei Frauen mit auffälligen Pap-Befunden und einem positiven HPV-Test. Das Wissen, welche Genotypen nachgewiesen wurden, hilft den Ärzt:innen, sicher über die weiteren Schritte zu entscheiden und sowohl Überbehandlung als auch das Übersehen von Krebsvorstufen und Krebs zu vermeiden.
Wenn Sie in die Zukunft blicken, wird das eine Welt ohne Gebärmutterhalskrebs sein?
Möglich ist es. Wir haben gute Testmethoden und Impfstoffe zur Verfügung und die Zahlen in vielen Ländern machen Mut. Wenn wir auf eine Kombination aus konsequenter Impfung und effektiver Früherkennung setzen, kann dieser Krebs eliminiert werden. Bei einer Impfquote von circa 90 Prozent – und zwar bei Mädchen und Jungen – erreichen wir damit eine Herdenimmunität und die Tests können zurückgefahren werden. In Australien beispielsweise lässt sich in der großen Gruppe der Geimpften und auch in der kleinen Gruppe der Ungeimpften HPV 16 praktisch nicht mehr nachweisen, die Herdenimmunität ist erreicht. Und auch in Deutschland geht der Trend bei den Krebsvorstufen in der geimpften Kohorte nach unten, obwohl die Impfrate bei Mädchen nicht höher als 50 Prozent beträgt. Was den Erfolg von Screenings und ihre weitere Optimierung angeht, bin ich überzeugt, dass wir mit einer erweiterten HPV-Genotypisierung auf dem richtigen Weg sind. Sie hat ihren wichtigen Platz, sei es im Rahmen von Co-Screenings, sei es als primäres HPV-Screening, sei es, um Krebs zu verhindern, sei es, um Überbehandlungen zu vermeiden.
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