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Prävention gehört laut Zukunftsforschern zu den Megatrends in der Medizin. In der Tat beschäftigen sich die Akteur:innen in der Gesundheitsversorgung intensiv damit und geben laut aktuellem Präventionsbericht von GKV-Spitzenverband und Medizinischem Dienst Bund deutlich mehr Geld dafür aus – sei es für Primärprävention wie Impfungen, für Sekundärprävention wie Früherkennung oder für Tertiärprävention wie etwa Schulungen von Patient:innen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg setzt ebenfalls auf den Trend. Es verstärkt die Forschung zur Krebsprävention und hat im Juni 2024 den Bau eines Krebspräventionszentrums in Heidelberg begonnen. Auch Kampagnen, die sich direkt an Patient:innen wenden, belegen den Trend. Doch wie muss Prävention ausgestaltet sein, um Krankheiten wirkungsvoll zu vermeiden oder zu verzögern – und die Gesundheitsbudgets entlasten zu können? Und was heißt das konkret für die Labormedizin, die dafür – insbesondere für die Sekundärprävention – unverzichtbar ist?

„Vorsorge beginnt im Labor“ – so bringt der Berufsverband der Akkreditierten Labore in der Medizin e. V. in seinem Magazin die essenzielle Rolle der fachärztlichen Labore bei vielen Vorsorgemaßnahmen und Screening-Programmen auf den Punkt. Und definiert: „Die Präventionsmedizin konzentriert sich darauf, Krankheiten frühzeitig zu erkennen, Risikofaktoren zu identifizieren und präventive Maßnahmen zu ergreifen, um Krankheiten vorzubeugen oder ihren Verlauf zu verlangsamen.“ Dabei umfasst Prävention über Krebserkrankungen hinaus auch weitere Volkskrankheiten wie etwa Diabetes und Fettstoffwechselstörungen sowie Herz- und Lebererkrankungen. Mit erfolgreicher Prävention kann eine Behandlung frühzeitiger einsetzen, und weniger invasiv sein, Nebenwirkungen können reduziert, die Lebensqualität der Patient:innen erhöht und Gesundheitskosten gesenkt werden. Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) beispielsweise konnte zeigen, dass es durch eine gezielte Früherkennung möglich ist, bei Patient:innen mit chronischer Lebererkrankung ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) bereits im Frühstadium zu diagnostizieren und die Überlebenschancen damit deutlich zu erhöhen. Dabei setzten die Mediziner:innen auf den GAAD-Algorithmus, ein CE-gekennzeichneter IVD-Algorithmus, der die Biomarker AFP (alpha-Fetoprotein) und PIVKA-II (Protein-induziert durch Vitamin-K-Abwesenheit) mit Geschlecht und Alter der Patient:innen kombiniert. Eine Maßnahme, die nicht nur medizinisch sinnvoll ist, sondern auch kosteneffizient: Der MHH gelang es, durch die Integration des GAAD-Algorithmus in den bestehenden Laborworkflow, manuelle Schritte um 90 Prozent zu reduzieren und Laborkosten von ca. 12.000 Euro pro Jahr einzusparen.

Viele Screening-Programme sind in Deutschland schon seit Jahren und Jahrzehnten etabliert, beispielsweise die Schwangerschaftsvorsorge, das Neugeborenen-Screening und das Mammographie-Screening. Zudem haben gesetzlich Versicherte seit 1989 ab dem vollendeten 35. Altersjahr alle drei Jahre Anspruch auf einen allgemeinen Gesundheits-Check zur Früherkennung insbesondere von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen und Diabetes. In den letzten Jahren gab es für verschiedene Krankheitsbilder wichtige Neuerungen bei den organisierten Screening-Programmen. So sehen beispielsweise die Richtlinien zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs seit 2020 statt der jährlichen zytologischen Untersuchung nun für Frauen ab 35 Jahren alle drei Jahre eine kombinierte Testung aus Zytologie und HPV-Testung vor. Änderungen gab es auch beim Check-up-35-Programm, das im Oktober 2021 um ein Screening auf Hepatitis B und C ergänzt wurde. An diesem Beispiel lässt sich das Potenzial von Präventionsmaßnahmen gut aufzeigen. Da eine Hepatitis zunächst symptomlos verläuft, eine unbehandelte chronische Hepatitis aber gravierende Spätfolgen wie Leberzirrhose oder Leberkrebs nach sich zieht, können kostengünstige labormedizinische Tests zur rechten Zeit viel bewirken: indem sie die schleichende Infektion frühzeitig erkennen und damit eine effektive Behandlung ermöglichen. Das Beispiel des Hepatitis-Screenings zeigt zudem den Vorteil eines strukturierten Vorgehens: Dank des bereits etablierten Check-up-35-Programms gelang es, das neue Hepatitis-Screening nach nur kurzer Umsetzungszeit in den Gesundheits-Check-up zu integrieren.

Also lauter Vorteile und ein riesiges Potenzial? Nicht nur, denn wie überall gibt es auch beim Megatrend Prävention ein „Aber“. Gesundheitsexperten und -ökonom:innen, Krankenkassen und Gesundheitsverbände weisen immer wieder auf das Dilemma der Prävention zwischen dem Übersehen von gravierenden Erkrankungen auf der einen und Überdiagnosen oder Überbehandlungen auf der anderen Seite hin. So argumentierte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in ihrem negativen Votum zum PSA-basierten Screening für Prostatakrebs, sein Schaden sei größer als sein Nutzen, weil es zu vielen unnötigen Biopsien, samt damit verbundener Belastungen für die Patienten und Kosten führe. Daraufhin lehnte der G-BA im Jahr 2020 eine Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen ab. Anders verhält es sich beim Low-Dose-CT-Lungenkrebsscreening. Auf Grundlage der aktuellen Evidenz bewertete das IQWiG das Low-Dose-Lungenkrebs-Screening in seiner Stellungnahme im Frühsommer 2024 neu positiv, da durch die Low-Dose-Bildgebung die Sicherheit für die Teilnehmer:innen erhöht worden sei. Damit und durch eine risikoadaptierte Auswahl der Teilnehmer:innen überwiege nun der Vorteil bei der Sterblichkeit das Risiko von falschen Diagnosen oder Überdiagnosen. Allerdings wird diese Leistung erst erstattungsfähig, wenn der G-BA eine entsprechende Krebsfrüherkennungsrichtlinie beschließt.

Mit obigen Beispielen liegen die wichtigen Erfolgsfaktoren für ein effektives Screening auf der Hand: eine qualitativ hochstehende Datenbasis und Evidenz, eine möglichst risikoadaptierte Auswahl der Teilnehmer:innen, so dass diejenigen mit geringem Erkrankungsrisiko nicht unnötig untersucht, behandelt oder beunruhigt werden, der Einsatz sensitiver und spezifischer Tests – Labortests, bildgebende Verfahren oder eine Kombination aus beidem – sowie eine adäquate Interpretation der Testbefunde. Der jüngste Vorstoß der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) für ein strukturiertes, kassenfinanziertes PSA-basiertes Prostatakrebs-Screening plädiert denn auch für eine risikoadaptierte Auswahl der Screening-Teilnehmer je nach Alter und Familienanamnese sowie eine adäquate Interpretation der PSA-Werte – durch Berücksichtigung des Prostatagewichts sowie einer möglichen Prostatitis. Zudem sollen deutlich weniger Biopsien vorgenommen werden, weil diese MRT-gestützt sind und die Untersucher:innen so gezielter vorgehen können. Auf die Neubewertung dieses auf aktueller Evidenz beruhenden Vorschlags der Fachgesellschaft durch das IQWiG darf man gespannt sein. In seiner Stellungnahme zum Vorstoß weist es darauf hin, dass sich die Datenlage seit dem IQWiG-Bericht von 2020 weiterentwickelt habe und sich eine Neubewertung des Prostatakrebsscreenings jetzt oder in naher Zukunft lohnen könne.

Je früher und präziser Krankheiten erkannt werden können, desto größer sind die Heilungschancen – und davon profitieren nicht nur die Patienten:innen, sondern auch das Gesundheitssystem – darin sind sich Expert:innen und Patient:innen einig. Dennoch werden die stetig verbesserten Screeningangebote nur unzureichend genutzt. Eine ergab, dass 85 Prozent der Deutschen diagnostische Tests für die Früherkennung von Krankheiten zwar wichtig finden, dennoch nutzen nur etwa ein Drittel regelmäßig Vorsorgeangebote. Nach den Gründen befragt, geben viele Befragte an, dass es ihnen schwerfalle, Vorsorgetermine in ihren Alltag zu integrieren oder die Notwendigkeit für sich selbst zu erkennen – kurz es fehlt an niederschwelligen Angeboten und an zielgruppengerechten Informationen. Hierfür braucht es spezifische, adressatengerechte Kampagnen, die von allen beteiligten Akteur:innen – Labore, behandelnde Ärzt:innen und Industrie – gemeinsam getragen werden.

Der passgenaue und schnelle Einsatz von Laboruntersuchungen ist ein integraler Bestandteil der Prävention und trägt wesentlich zur Früherkennung und Behandlung von chronischen und lebensbedrohlichen Erkrankungen bei. Die Labormedizin kann hier der Schrittmacher für effiziente und evidenzbasierte Prävention sein, indem sie über die reine Analyse von Laborparametern hinaus Beratungsleistungen anbietet und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den ärztlichen Kolleg:innen in Praxis und Klinik aktiv steuert. So kann Prävention als Megatrend der Medizin einen wirklichen Unterschied im Leben der Patient:innen machen. Krankheiten frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln oder ganz zu vermeiden ist dabei das Ziel, effizientes, evidenzbasiertes Vorgehen der Weg.

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